Am 28. und 29. Juni präsentierte Markus Ruoss, Eigner des zentralschweizer Privatradios „Radio Sunshine“, in Luzern erste erfolgversprechende Ergebnisse eines Pilotprojektes mit dem amerikanischen Digitalradioverfahren „HD-Radio“ (ehemals IBOC – „Inband on Channel).
Mit Unterstützung des schweizerischen Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) und zahlreicher weiterer Unternehmen aus der Rundfunkbranche, der Übertragungstechnik und Dienstleister wie der Swisscom führt das kleine Privatradio aus Rotkreuz seit März 2006 einen zweijährigen Feldversuch mit der amerikanischen Technik durch. Vom Sender auf dem Rootberg – etwa auf halbem Weg zwischen Luzern und Zug gelegen – wird ganz im herkömmlichen Verfahren das Programm von Sunshine in analoger UKW-Technik abgestrahlt. Zusätzlich allerdings werden in Seitenbereichen des Frequenzbandes, den so genannten Störabstandsbereichen zusätzliche digitale Signale in einer Art „Huckepackverfahren“ ausgestrahlt, auf denen nicht nur das Programm von „Radio Sunshine“ zu hören ist, sondern auch das Signal von „Radio NRJ“ aus Zürich und ein Serviceprogramm mit Verkehrsmeldungen.
„Radio Sunshine“ und dem BAKOM geht es bei dem Feldversuch darum, die Ausbreitungsbedingungen von „HD-Radio“ unter den Bedingungen der im Vergleich zu den USA sehr viel dichter belegten europäischen UKW-Frequenzen zu testen. „Es gibt in Europa die rund doppelte Chance, dass ein ‚HD-Radio’-Signal durch einen anderen Sender gestört werden kann. Und es gibt um einiges größere Chancen, dass ein HD-Signal ein anderes UKW-Signal stören kann.“ erklärte Markus Ruoss.
Aus seiner Sicht besteht der Vorteil von „HD-Radio“ u.a. darin, dass die privaten Radios auf der gleichen Frequenz im UKW-Rundfunk weitersenden können und sich für die Hörer die Chance zu einem weichen Übergang in die Digitalisierung des Hörfunks bietet. Für die Rundfunkbetreiber ergibt sich eine langsame und kostengünstige Evolution. So benötige das digitale Signal mit nur 35 Watt Sendeleistung etwa ein Hundertstel des Energieaufwandes, wie für ein analoges UKW-Signal. Außerdem sei – im Gegensatz zu DAB – ein guter Indoor- und portabler Empfang möglich.
Auf einer Präsentationsfahrt mit einem Reisebus durch die bergige Voralpenlandschaft nördlich von Luzern zeigte sich, dass der „HD-Radio“-Empfang durchaus reibungslos möglich war. Selbst bei künstlich herbeigeführten Störungen durch Frequenzüberlagerungen war das HD-Signal zu hören, während das UKW-Signal abbrach.
Nach den ersten Feldtests, die die generelle Durchführbarkeit von HD-Radio in Europa zeigen sollen ist für den weiteren Verlauf des Feldversuchs vorgesehen, einen Vergleich mit anderen digitalen Verfahren anzustellen, so auch mit „drm-plus“, die für die UKW-Frequenzen geplante Standarderweiterung des derzeit schon im Kurz- und Mittelwellenbereich eingesetzten Digitalisierungsverfahrens. Des Weiteren sollen Einführungs- und Betriebskosten und mögliche Konsequenzen für die UKW-Planung bei einer möglichen HD-Radio-Einführung in Europa untersucht werden.
„Sunshine Radio“ in der Schweiz ist mittlerweile nicht mehr alleine. Auch um Paris und Warschau herum sollen in diesen Wochen „HD-Radio“-Tests durchgeführt werden. Für den 12. Juli ist in Paris die Gründung einer europäischen Interessensgruppe geplant, die sich bei der Industrie für den Bau von Kombiempfangsgeräten für analoges UKW- wie auch digitales Radio einsetzt.
Von Seiten der Geräteindustrie gibt es nach Aussagen von Markus Ruoss zahlreiche Empfänger, die zwar zunächst für den amerikanischen Markt hergestellt worden sind, aber sich mit nur wenig Aufwand an die Anforderungen der europäischen Frequenzgegebenheiten anpassen lassen. Zu den Herstellern gehört unter anderen auch die deutsche Firma Blaupunkt, die ansonsten für ihren kompromisslosen Einsatz für DAB bekannt ist.
Die Sicht der BAKOM, die für den „HD-Radio“-Feldversuch eine Lizenz erteilt hatte, erläuterte Marcel Regnotto: „DAB ist aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, lokale und regionale Hörfunkverbreitung zu sichern. Deswegen experimentieren wir mit ‚HD-Radio’.“ Regnotto ist sich bewusst, dass die Schweiz als Markt zu klein ist, um „HD-Radio“ einzuführen. Deswegen geht die BAKOM auch davon aus, dass die Tests in anderen Ländern erfolgreich sein werden.
DAB sei damit in der Schweiz allerdings nicht gestorben, so Regnotto. Dies zeige vor allem die Haltung der SRG, die sich derzeit besonders stark für DAB insbesondere für die großflächige Verbreitung engagiere. Allerdings habe Regnotto durchaus auch verhaltenes Interesse aus Kreisen der SRG an ‚HD-Radio’ gehört, wo es um die Versorgung kleinerer Räume gehe.
An den ersten „HD-Radiotagen“ in Luzern nahmen im Übrigen auch eine Reihe von Vertretern aus Deutschland, insbesondere aus Kreisen der Landesmedienanstalten teil.
-boff-
last update Sonntag, 12. Februar 2012

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