zur zukunft der medienpolitik

Teil 1: Akteure ratlos in der Manege

Teil 2: reagiert die Medienpolitik einfältig oder angemessen?

Teil 3: Die Mentalität der Akteure

„Wir verstehen davon nicht viel, es ist schwierig genug, den ganzen, neuen Technologien zu folgen."
(Hartmut Schauerte, Staatssekretär im Bundeswirtschafts- und -technologieministerium auf dem Fernsehkongress des Medienforums NRW 2006)

Teil 1: Akteure ratlos in der Manege

Selbst für einen langjährigen Beobachter der Medienpolitik war es überraschend, wie stark sich Anfang des Jahres die gewohnten Koordinaten verschoben haben. Die Medienpolitik ist in Bewegung, das ist bekannt seit etwa 15 Jahren, als sich die Veränderungen, die durch die Digitalisierung der Kommunikation hervorgerufen wurden, abzeichneten. Doch was da in diesen Wochen geschieht, ist eine revolutionäre Änderung in der Wahrnehmung der Medienentwicklung. Und das bedeutet auch: die herkömmlichen Akteure stehen ziemlich ratlos in der Manege.

    • Kleinsteuber: Die Welt der neuen Medientechniken ist sicherlich unübersichtlich. Auf der anderen Seite sollten wir nicht so tun, als ob heute alles neu wäre. Wer die Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren verfolgt hat, wird bezeugen können, dass seit vielen Jahren immer wieder eine neue Sau durch das digitale Dorf getrieben wird.
    • Wir haben aus diesem Grunde heute in den verschiedenen Bereichen nicht nur einen Entwicklungspfad, wie wir das in der Vergangenheit in der Medientechnik kannten, sondern eine ganze Reihe paralleler und auch miteinander konkurrierender Pfade. Und dadurch wird die Sache nicht einfacher.

      Nehmen wir den Hörfunk. Dort haben wir Digital Audio Broadcasting, die Nachfolgetechnik von UKW. Dort haben wir Digital Radio Mondial für den Kurz- Mittel- und Langwellenbereich, dort haben wir Internet-Radio, dort haben wir inzwischen auch Radiosendungen, die man auf das Handy geben kann und Ähnliches mehr.

    Sprecher: Hans-Jürgen Kleinsteuber, Politologie-Professor an der Universität Hamburg, ist jemand, der die durch Digitalisierung geprägte Medienentwicklung in den letzten zwanzig Jahren ständig kritisch begleitet hat und bis 1998 auch in der in der Enquête-Kommission des Bundestages zur Zukunft der Medien mitgewirkt hat. Wenn auch Vieles an Entwicklung für den Fachbeobachter schon seit geraumer Zeit am Horizont erkennbar war: in diesem Frühjahr kommt es knüppeldick. Hochauflösendes Fernsehen steht angeblich endlich vor der Tür. Das Gegenteil, nämlich kleinformatige Bilder auf neuartigen Handies sollen schon mit Beginn der Fußball-WM übertragen werden. Die Telekom will ein extrem leistungsfähiges Glasfasernetz aufbauen und dann über das bisherige Telefonnetz auch Fernsehdienste übertragen.

    Zu diesem Zweck hat sie Bildrechte an der Fußball-Bundesliga aufgekauft. Ebenso ein neuer Veranstalter namens Arena, der als Teil eines großen privaten Kabelnetzbetreibers die Pay-TV-Szene in Deutschland aufmischen will. Und zu guter Letzt will auch noch der Satellitenbetreiber Astra demnächst die heute noch frei empfangbaren Fernsehprogramme zukünftig verschlüsseln und nur gegen Gebühr freischalten

     Telekommunikationskonzerne drängen in den Rundfunkmarkt, in dem sie Filmchen als Handy-TV vermarkten wollen. Fest macht sich das nur an den feinen Unterscheidungen zwischen Telekommunikations- und Rundfunkrecht: Handy-TV wird gesendet auf Frequenzen, die dem Rundfunk zugeordnet sind. Aber was ist es nun: Rundfunk oder Telekommunikation? Hier verwischen sich die Grenzen.

     Auf der anderen Seite droht eine potentiell gefährliche Ballung von Marktmacht bei den Netzbetreibern. Musste die Deutsche Telekom vor Jahren noch auf Geheiß aus Brüssel ihr Breitbandkabelnetz verkaufen, so hat sie mit verbesserter Technik im Telefonnetz demnächst wieder die gleichen Möglichkeiten bei Zugang zu annähernd 90 % der deutschen Haushalte. Und die will sie mit entgeltpflichtigen Angeboten versorgen. Stellt sich die medienpolitisch brisante Frage: wie wird in diesem Fall der chancengleiche, diskriminierungsfreie Zugang zum Netz für kleinere Anbieter gesichert.

     Das gleiche gilt natürlich auch für das Kabelnetz. Die Arena-Muttergesellschaft Unity möchte das Vehikel Bundesliga dazu nutzen, möglichst viele Kunden an sich zu binden und denen umfangreiche Programmpakete zu verkaufen.

    Uwe Hasebrink, Geschäftsführer des renommierten Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg:

    • Hasebrink: Wir hatten eben bis jetzt die Situation, dass Medienregulierung bei so genannten Veranstaltern ansetzte, bei einem Fernsehveranstalter. Das war die entscheidende Kategorie.
    • Jetzt stellen wir plötzlich fest durch die Entwicklung technischer Konvergenz, dass völlig andere Unternehmen plötzlich auch inhaltlich relevant werden, dass sie direkt an die Zuschauer herankommen, dass sie mit Inhalten an die Zuschauer herankommen und sie deswegen publizistisches Gewicht gewinnen können.

       Das führt zu der Herausforderung, dass wir nicht mehr nur sagen können, der Fernsehveranstalter ist derjenige, mit dem wir regulieren müssen, sondern wir müssen die einzelnen Schritte auseinandernehmen. Wer transportiert Inhalte, wer bestimmt über Inhalte? Wer hat welches Potential auf den Märkten, Druck auszuüben, ökonomische Macht auszuüben?

       Das ist in der Tat die Herausforderung, die von der Medienpolitik im Moment noch nicht gelöst ist.

    Sprecher: Neue Verteilwege überbrücken die bisherige Trennung von Rundfunk und Telekommunikation. Neue Anbieter die bisherige Trennung von Transport und Inhalteangeboten. Die alten Regulierungsmechanismen werden den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht. Es wird zu beobachten sein, wie die Medienpolitik darauf reagiert.

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Es ist wirklich nicht nötig, aber die Menschen werden es haben wollen."
(noch einmal Wirtschafts-Staatssekretär Hartmut Schauerte über moderne Handy-TV-Angebote)

Teil 2: reagiert die Medienpolitik einfältig oder angemessen?

Medienpolitik gehört sicherlich zu den komplexesten Bereichen der Politik in Deutschland. Das hat zum einen damit zu tun, dass Medienpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. Neben dem Rundfunk sind Objekte der Medienpolitik der Film, die Presse, Verlage und auch die neuen Medien, sprich alles, was sich rund um den Computer entwickelt – vom Internet bis zur CD-ROM.

 Medienpolitik überschneidet sich mit dem Telekommunikationsrecht und dem Jugendschutz, der Wirtschaftsförderung, der Konzentrationskontrolle – sowohl aus wirtschaftlicher Sicht, als auch unter dem Aspekt der Meinungspluralität. Und nicht zuletzt: das alles ist Kulturpolitik. Zudem ist die Zuständigkeit zersplittert: der Rundfunk fällt wegen der Kulturhoheit der Länder in deren Regelungskompetenz. Die Presse ist zumindest bis zum Inkrafttreten der Föderalismusreform zum Teil Bundessache. Wirtschaftliche Konzentrationskontrolle und Telekommunikationspolitik sind eindeutig Aufgaben des Bundes. Und über allem schwebt auch noch Brüssel, das zunehmend Regelungskompetenzen an sich zieht.

    Sprecher: Für jemanden, der in die Medienpolitik einsteigen will heißt das: es bedarf eines Lernprozesses von schätzungsweise zehn Jahren, um sich durch den Dschungel der Gesetze, Staatsverträge, Zuständigkeiten und wechselseitigen Rücksichtnahmen zu schlagen, um danach wirklich fundiert mitreden zu können. Wer Medienpolitik betreiben will, der muss ein Könner sein in der Reduktion von Komplexität.

    Und dabei wartet nicht unbedingt ein lukratives Betätigungsfeld auf den Politiker, denn da die wichtigsten Kompetenzen in der Medienpolitik Ländersache sind, kann man sich allenfalls in der jeweiligen Landeshauptstadt einen Namen machen und das dann auch nur in einem Nebenfach.

    Hinzu kommt noch, dass sich der Medienpolitiker vertraut machen muss mit all den technischen Entwicklungen, die die digitale Revolution seit etwa 20 Jahren mit sich bringt. Hans-Jürgen Kleinsteuber, Politologie-Professor an der Universität Hamburg

      Kleinsteuber:  Wir überfordern unsere Politiker sehr häufig. Wer eine politische Karriere einschlägt, ist in aller Regel Generalist. Und er muss beratungsoffen sein. Wir haben sicherlich auch die Situation, dass viele Politiker dann Einflüsterungen ausgesetzt sind von bestimmten Lobbyisten, von bestimmten Industriebranchen, von Verbänden, die da ihre ureigenen Interessen unterbringen wollen. Und das verunsichert wiederum die Politiker. Aber ganz sicherlich dürfen wir gar nicht erwarten, dass Politiker in der Lage sind, neueste Medienentwicklungen in ihrer ganzen Breite zu verfolgen und zu verstehen.

    Sprecher: So kommt es, dass zahlreiche neue Techniken entwickelt, aber nicht sofort am Markt erprobt werden können. Erst einmal müssen nämlich rundfunk- und telekommunikationsrechtliche Hürden umgangen werden. Also, die Politiker sind im Spiel.

    Beispiel Handy-TV: Fernsehen auf dem Handy das ist der große Renner in diesem Jahr bei der Industrie. Angeblich rufen die Nutzer danach, in allen Lebenslagen und überall mit den neuesten Sportbildern, Videoclips und Telenovelas versorgt zu werden. Bundesweit sind seit Ende letzten Jahres die Frequenzen ausgeschrieben worden, denn beim Handy-TV handelt es sich nicht einfach um einen Dienst wie UMTS, den die Handykonzerne einfach so im Rahmen ihrer laufenden Konzessionen anbieten können. Die nämlich fallen unter das Telekommunikationsrecht des Bundes. Handy-TV aber soll Rundfunkfrequenzen nutzen. Und da sind die Länder zuständig.

    Ob die angebotenen Dienste aber ein Erfolg beim Publikum sein werden, das kann man nicht einfach am Markt testen, in dem man Millionen von Endgeräten in die Verkaufsregale stellt. Es muss schließlich auch etwas übertragen werden. Wer nicht auf Vorbehalte der Kommunikationswissenschaftler hören will, muss den Sprung ins kalte Wasser wagen und eine Rundfunklizenz erwerben. Horst Röper, Geschäftsführer des Dortmunder Medienforschungsinstituts „Formatt":

      Röper: Wir erleben natürlich derzeit unglaublich kurze Entwicklungszyklen. Und immer dann, wenn technologisch etwas Neues machbar wird, dann glaubt derjenige, der die Entwicklung selbst mit vorangetrieben hat, sich nun im Vorteil, wenn er nun der erste ist, der als Anbieter auf dem Markt auftritt.

      Häufig erkennen wir dann, dass a) die Technik gar nicht ausgereift ist oder b) dass die Konsumenten das neue Angebot überhaupt nicht interessiert.

    Sprecher: Doch das will die Politik nicht immer wahr haben. Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft, beispielsweise zum Rezeptionsverhalten werden ignoriert. Horst Röper:

      Röper:  Das gilt – denke ich - schon seit langem und gerade bei der Einführung von vielen neuen Technologien oder auch von vielen neuen Medien. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden da vielfach nicht genutzt.

      Zunächst glaubt man eben in der Technikeuphorie, jenes umsetzen zu müssen was die Technik nun über Fortschritte ihrerseits erlaubt. Das wird hier auch beim Handy-TV der Fall sein. 

      Das sieht man z. B. für mich am stärksten bei der bislang völlig gescheiterten Einführung von DAB, also dem digitalen Hörfunk. Es war ja geplant, auf das UKW-Band demnächst zu verzichten und sämtliche Hörfunkprogramme nur noch digital anzubieten. Da sind die Rezipienten bisher überhaupt nicht gefolgt.

      Sowohl die Industrie, als auch insbesondere die Länder, meist über die Landesmedienanstalten, haben Millionenbeträge in die Entwicklung von DAB und die Test- und Pilotphasen hineingepumpt. Das Resultat ist gleich Null, weil der Rezipient nicht mitzieht. Das hätte man in der Tat vorher wissen können, denn die Zufriedenheit in der Bundesrepublik  mit den Leistungen über die UKW-Frequenzen, also im analogen Bereich ist sehr hoch. Aus Sicht der Hörfunknutzer gibt es also offenbar keinen Bedarf an neuen digitalen Anwendungen.

    Sprecher: Die Medienpolitik aber steckt wieder einmal im alten Dilemma: aus freiwilliger oder erzwungener Unkenntnis des Bedarfs probiert man erst einmal aus. Nur: ob der Flop dann irgendwann einmal gestoppt wird,  um diese Entscheidung drückt man sich. Man will ja der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen nicht schaden.

    Medienpolitik müsste in Zukunft die Bedarfe gegenüber den wirtschaftlichen Chancen abwägen. Schließlich sind es die gleichen Politiker, die beinahe täglich vom Bürger, dem Nutzer, verlangen, sein Geld für die eigene soziale Sicherung auf die hohe Kante zu legen.

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Teil 3: Die Mentalität der Akteure

Im Gegensatz zu ihrer öffentlichen Wahrnehmung als hochspezialisierte Fachpolitik, reicht die Bedeutung der Medienpolitik weit hinein in das Wirtschaftsleben. Da ist die Geräteindustrie, die neue Empfänger entwickeln und verkaufen will. Da sind die Inhalteanbieter, insbesondere die Rundfunkveranstalter, die ihre Programme in die Haushalte bringen wollen. Da sind die Netzbetreiber, die über Kabelnetze, terrestrische Frequenzen und Satelliten die Inhalte transportieren. Am Ende aber steht der Nutzer, der in den Augen der Handelnden nur gefälligst nachzufragen hat, was an neuen Gerätschaften, kostenpflichtigen Diensten und fast unüberschaubaren Programminhalten von Seiten der Wirtschaft angeboten wird.

„Wertschöpfungsketten“, „Geschäftsmodelle“, „Programmbouquets“, das sind einige der Begriffe die im Marketing-Neusprech auf keinem der einschlägigen Medienkongresse, den Showcases der Branche, fehlen dürfen. Anfang Mai Medienforum in Leipzig, Ende Mai Köln, zur IFA in Berlin, im Oktober München... Ständig sind Medienmacher, Vertreter von Geräte-, Kabel- und Inhalteindustrie unterwegs, um – auf der Suche nach Marketingoffenbarungen - Vorträgen und Diskussionen über die kommenden Entwicklungen im Mediengeschäft zu lauschen.

  • Sprecher: Rosige Visionen hat man in den vergangenen Jahren auf den Podien gehört. Kaum etwas ist wirklich in die Realität umgesetzt worden. Pay-TV auf allen Kanälen, Spartenprogramme für Angler, Modefreaks und Baseballanhänger. Hochauflösendes Fernsehen und Digitalradio, Internet auf dem Fernsehbildschirm, Filmedownload auf den Medienserver im vernetzten Haus... Die Realität ist: all das ist tatsächlich schon heute machbar. Nur: hat es der Nachbar? Und wenn nein, warum nicht? Hans Jürgen Kleinsteuber, Politologie-Professor von der Universität Hamburg hat einen Erklärungsansatz:
    • Kleinsteuber: Für mich ist beispielsweise faszinierend zu sehen, dass die Genese neuer Techniken nur in der Hand von Ingenieuren liegt, die wiederum technikverliebt an die Dinge herangehen und etwa sozialwissenschaftliche Erträge über Zuhörer- oder Zuschauerverhalten nicht mit einbeziehen.

  • Sprecher: Beispiel HDTV, das hochauflösende Fernsehen. Die Ingenieure sind glücklich, endlich die preisgünstigen Geräte zu bauen, die sie uns schon vor 15 Jahren in einem ersten Anlauf für HDTV versprochen haben. Die Marketing-Leute haben ganze Arbeit gemacht: die Presse jubelt das neue Fernseherlebnis hoch. HD-taugliche Flachbildschirme sind der Renner in den „Media-Märkten“ der Republik.
  • Niemand fragt die Medienanalytiker: gibt es überhaupt genug Programme, um die Kanäle rund um die Uhr mit HDTV-Material zu füllen? Der Spielfilm, die hochwertige Dokumentation, Sport, das sind Bilder, die HD-geeignet sind, aber Nachmittags-Talks bei RTL II? Wackelbilder vom Kriegsschauplatz in Afghanistan? Sechs Minuten Magazinbeitrag in „plusminus“?

    Beispiel Handy-TV: derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, bereits zur Fußballweltmeisterschaft auch Fernsehangebote bereitzustellen, die auf dem kleinen Bildschirm des Handies wiedergegeben werden können. Das Zauberwort der Industrie: Mobil-TV.

    Ganze Sendernetze werden dafür optimiert, sogar Rundfunklizenzen sind schon verteilt worden. Nur: gibt es geeignete Programme, kurz genug, um in kleinen Pausen in der S-Bahn oder im Wartezimmer verfolgt werden können? Medienwissenschaftler könnten erklären, dass kurze Infohappen im Radio oder Musikstücke nebenher konsumiert werden. Mobil-TV bindet einen wichtigen Sinn mehr, nämlich das Auge. Schon die 15 Minuten „Tagesschau“ dürften für unterwegs zu viel sein.

    Die Verantwortlichen in der Exekutive, sei es in den Ministerien oder in den Landesmedienanstalten, beeilen sich, die Voraussetzungen für Handy-TV zu schaffen, ohne sich um solche für den Markterfolg durchaus relevante Fragen zu kümmern. Hans-Jürgen Kleinsteuber:

      Kleinsteuber:  Was ich immer wieder beobachte, ist, dass die Juristen in den Staatskanzleien wirklich nicht den Zugang haben zu den neuesten Techniken, ihren Möglichkeiten und ihren Grenzen. Und dass sie gleichzeitig resistent sind gegenüber sozialwissenschaftlicher, gegenüber – wenn Sie wollen – die Empirie des Nutzers darstellender Beratung. Das ist ein bedauerlicher Zustand.

    Sprecher: Überhaupt: der Nutzer. Verbraucheraspekte spielen bei in der aktuellen Medienpolitik eine sehr untergeordnete Rolle. Beispiel Grundverschlüsselung im digitalen Satelliten- und Kabelfernsehen: für die Signaltransporteure ist es nicht einfach nur ein Versuch, zusätzlich ein paar Euro einzunehmen, sondern ein ganz handfestes strategisches Kalkül, „Geschäftsmodell“ genannt.

    Im Digitalen lässt sich im Prinzip jedes einzelne Empfangsgerät ansteuern und mit individuellen Programmbouquets versorgen. Kabelnetzbetreiber und Astra erfahren sehr viel über ihre Kunden, wenn diese zunächst einen Freischaltcode beantragen müssen. Diese Kundenbeziehung ist ein hart umkämpfter strategischer Vorteil für die Netzbetreiber. Kombiniert mit vielfältigem Marketingwissen kann man in Zukunft versuchen, dem Kunden zahlreiche Koppelgeschäfte schmackhaft zu machen, seien es Spartenkanäle, Teleshopping oder Sportwetten. Erst das soll der eigentliche Umsatzbringer werden. Damit steht sie, die „Wertschöpfungskette“.

    Doch der Verbraucher kann sich schlecht dagegen wehren. Seine Lobby ist zu schwach. Die Stimme der Verbraucherverbände ist nur eine unter vielen. Uwe Hasebrink, Chef des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg:

      Hasebrink: Also, das Thema, was immer noch am stärksten bewegt in der Politik in Hinblick auf Medien ist, inwieweit diese für die eigene Partei, für die eigenen Interessen möglicherweise positiver oder negativer ausfallen, ob die notwendige inhaltliche Vielfalt gegeben ist. Und so etwas. Während es an tatsächliche Strukturfragen – wie sind eigentlich die ökonomischen Kräfteverhältnisse? Wie spielen verschiedene crossmedial vernetzte Angebote  einzelner Anbieter miteinander zusammen? Wie sieht es mit Konsumentenschutz aus? Inwieweit können Nutzer überhaupt noch Transparenz darüber bekommen, was überhaupt noch angeboten wird? Alle dieser feineren Fragen stehen naturgemäß nicht so sehr auf der obersten Tagesordnung bei der Politik.

    Sprecher: Alles in Allem lässt sich festhalten: die Mentalität der entscheidenden Akteure in der aktuellen Medienpolitik ist allzu oft gekennzeichnet durch Nutzerferne und fehlende Resistenz gegen die Einflüsterungen des Marketings. Wegen der dynamischen technischen Entwicklung lassen sich viele Handelnde zu sehr von Ingenieuren beeindrucken. Die Medienpolitiker ihrerseits sind auf den eigenen Vorteil im System der parlamentarischen Demokratie bedacht. Sie und andere huldigen heimlich der Vorstellung: man muss es dem Publikum nur richtig verkaufen, dann läuft es auch.

    Die einzige Reaktion des Bürgers, Wählers und Mediennutzers besteht dagegen in skeptischer Zurückhaltung aus verschiedenen Gründen. Und das ist was wir überall erleben. Hans-Jürgen Kleinsteuber:

      Kleinsteuber:  Und da haben wir in Deutschland die Situation eines rasenden Stillstandes. Das ist eigentlich eine ganz erbärmliche Situation.

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  • last update Sonntag, 12. Februar 2012