zentralbankpräsident von virtualia

Zentralbankpräsident in Virtualia

    Ich habe einen neuen Job in Aussicht. Ich werde mich bewerben als Zentralbankpräsident von Virtualia.

    Virtualia, das ist ein Land, in dem sich alle begegnen, nicht leibhaftig, aber in Form eines Avatars. Avatare, das sind künstliche Lebewesen, die an meiner Statt durchs Internet streifen, sozusagen mein oder dein digitales Alter Ego. So ein Avatar kann ganz normal, aber auch lustig aussehen, wie eine Comic-Strip-Figur oder furchteinflößend mit glühend roten Augen, mit grüner, schuppiger Haut und gewaltigen Eckzähnen.

    Nun, die Verkünder des Web 2.0 die arbeiten schon ganz kräftig daran, dass wir alle demnächst als Avatare im Internet unterwegs sind und uns auf verschiedenen Seiten treffen. Wir könnten zusammen einen Spaziergang durchs Netz machen, uns gegenseitig interessante Seiten zeigen, vielleicht miteinander flirten oder auch gegenseitig beeindrucken. Und dazu gehören natürlich Statussymbole, schließlich soll und muss es sich auch rechnen. Zum Beispiel Sportschuhe mit den drei Streifen oder berühmte amerikanische Pilotenbrillen. Die sind zwar auch virtuell, aber die haben einen höchst diesseitigen Preis. Z. B. echte 2 Euro für die gezeichnete Hose aus dem Markenshop.

    Zweitgeist nennt sich ein Unternehmen, dass an derartigen Geschäftsmodellen arbeitet und diese den Betreibern von Online-Foren oder Netzspielen schmackhaft machen will. Und wenn man sich den Erfolg des Klingeltonmarktes so ansieht, dann kann man schon annehmen, dass die Kids auch für derartige Späßchen Geld ausgeben werden. In Amerika läuft schon ein sehr erfolgreiches Forum namens „Second Life“, wo sich Avatare treffen, ein zweites Leben in der Virtualität führen und sogar schon ganz konkrete Auseinandersetzungen führen.

    Bei „Second Life“ gab es eine Talkshow mit einer in der Community – und wohl einstmals auch in ihrem echten, also first Life sozusagen – als ziemlich freizügig bekannten Dame. Während dieser Talkshow wurde der Avatar dieser Dame in Anspielung auf ihre Vergangenheit mit nicht jugendfreien Grafiken belästigt. Jetzt stellt sich für den Ehemann ganz konkret die Frage, ob der Avatar der mittlerweile ehrbaren Dame – jetzt ist sie Lehrerin in Frankfurt - ob der Avatar beleidigt worden ist, ob möglicherweise Schadensersatz gefordert werden kann. Oder auf Juristendeutsch: hat der Avatar eine Rechtspersönlichkeit? Dann könnte man es auch so sehen: muss er nicht wegen seiner Berühmtheit in der Community als relative Person der Zeitgeschichte betrachtet werden, die sich zumindest nach deutschem Recht gefallen lassen muss, dass ihre Vergangenheit ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden kann?

    Der juristischen Probleme nicht genug in Virtualia. Die großen Vordenker der neuen Wunderwelt haben noch sehr viel komplexere Themen ins Auge gefasst und da tritt mein neuer Job auf den Plan: wie verwalten wir die Geldmenge in Virtualia und wie verteidigen wir sie gegen üble Manipulationsversuche?

    Da wird ein Zentralbankpräsident gebraucht, der dafür sorgt, dass nicht irgendwer inflationär neue Zaubersprüche erfindet, Spitzenunterwäsche zeichnet und verkauft oder regenbogenschimmernde Klunker auf den Markt wirft und so die Preise verdirbt.

    Sie lachen! Das Problem ist ganz real. Im Online-Computerspiel „World of Warcraft“ ist es inzwischen verboten, seine dort erworbenen virtuellen Schätze via ebay zu ganz realem Cash im ersten Leben zu machen. Es gab nämlich tatsächlich Leute, die dafür echtes Geld zahlten.

    Es wird also Zeit, dass sich das Justizministerium und der Bundestag mit den neuen juristischen Fragen auseinandersetzen und einen Gesetzescodex für das Second Life aufstellen.

    Ich jedenfalls hätte gerne diesen Job als Zentralbankpräsident. Ich würde ganz schleichend eine Hyperinflation herbeiführen, bis die Kids kein Geld mehr haben für virtuellen Schnickschnack und diejenigen, die meinen, damit großes Geld verdienen zu können, zu spät merken, dass all ihr angesammeltes virtuelles Kapital im wirklichen Leben nichts mehr wert ist.

    Frage bloß: handele ich dann strafbar? Wo ist der Gerichtsstand? Muss ich mit der Todesstrafe rechnen?

    Bundestag, übernehmen Sie! Mein Vorschlag für eine Sofortmaßnahme: die Einführung einer Absurditätssteuer mit exponentieller Progression.